Foto Blume ausgetrockneter Boden

Liebe FAMS-Ausbildung, wie geht es dir 2020? Ein Resümee.

Freud und Leid liegen gemäß eines Sprichworts bekanntlich immer nahe beieinander. So ist es auch, wenn man sich 2020 nach dem Wohlergehen der FAMS-Ausbildung erkundigt: Zufriedene Absolventen und hohe Übernahmezahlen auf der einen, eine immer noch geringe allgemeine Bekanntheit, Imageprobleme und branchenintern fehlender Rückhalt auf der anderen Seite. Ich habe den ersten Monat des neuen Jahres zum Anlass genommen, um rückblickend einmal ein Resümee zu ziehen.

Ein kleiner Hinweis vorab: Die anknüpfenden Erkenntnisse sind nicht das Ergebnis einer investigativen oder ausufernden Recherche, sondern vielmehr ein z.T. sicherlich subjektiver Eindruck, der sich für mich u.a. aus dem Gespräch mit Kollegen, einer ehemaligen FAMS etc. ergeben hat.


Sehr gute Beschäftigungschancen und individuelle Weiterbildungsmöglichkeiten

Wie steht es Anfang 2020 um die FAMS-Ausbildung, mehr als 13 Jahre nach ihrer Einführung in den deutschen Ausbildungsmarkt und die Marktforschungsbranche? Auf den ersten Blick recht gut, wie eine Studie der Abschlussklasse der Stauffenbergschule in Frankfurt Mitte 2019 zeigte. 74 Prozent der ca. 200 befragten ehemaligen Azubis würden die Ausbildung weiterempfehlen, 60 Prozent wurden von ihren Ausbildungsbetrieben in ein anschließendes festes Beschäftigungsverhältnis übernommen und der Anteil derjenigen, die nach wie vor in der Markt- oder Sozialforschung tätig sind, liegt bei rund 100 Prozent.*
Diese positiven Zahlen lesen sich erst einmal vielversprechend, sind aber auch nicht unbedingt verwunderlich, denn die Ausbildung ist inhaltlich sehr abwechslungsreich und bietet den Absolventen nach ihrem Abschluss mannigfaltige Möglichkeiten, sich entsprechend ihrer individuellen Inte-ressen und Stärken zu entwickeln und zu qualifizieren. Du hast Sehnsucht nach nackten Zahlen, hegst eine brennende Leidenschaft für Statistik und der Anblick eines SPSS-Outputs oder von Tabellenbändern lässt Dein Herz höher schlagen? Dann führt Dein Weg mit hoher Wahrscheinlichkeit in die quantitative Forschung. Reine Statistik ist für Dich eher ein notwendiges Übel, Du bevorzugst den direkten Kontakt zu Menschen und neue Methoden für Gruppendiskussionen und Reporting können Dir gar nicht kreativ genug sein? Dann bist Du sicher der geborene qualitative Forscher oder würdest Dich in einem Teststudio wie zu Hause fühlen.
Neben der praktischen Laufbahn besteht nach der Ausbildung auch immer noch die Option, einen akademischen Weg einzuschlagen. Vielleicht möchtest Du in Zukunft Fragebögen programmieren und strebst daher ein Informatikstudium an? Oder du willst Dich vollkommen auf die Sozialforschung konzentrieren und möchtest dein Fachwissen durch ein sozialwissenschaftliches Studium vertiefen? Das alles ist möglich – natürlich auch vor der Ausbildung.

Geringe Bekanntheit und Imageprobleme sorgen für Nachwuchsmangel
Der angesprochenen Vielfalt entgegen steht der zunächst erstaunlich erscheinende Umstand, dass es nach wie vor wenig bis kaum Bewerber auf ausgeschriebene Ausbildungsstellen gibt und die Ausbildungsleiter an den wenigen Berufsschulen, die die FAMS-Ausbildung in Deutschland anbieten, sorgenvoll die Stirn über ihre Klassengrößen runzeln. Absolventen müssen sich bei Instituten mittlerweile zwar nicht mehr mit Sternchen im Lebenslauf bewerben, die in einer Fußnote erklären, was ein / eine FAMS überhaupt ist, aber in der betrieblichen Marktforschung ist die Ausbildung nach wie vor noch nicht richtig angekommen, wie z.B. über die vergangenen Jahre hinweg immer wieder auf den einschlägigen Kommunikationskanälen der Branche berichtet wurde. Der Ausbildungsberuf krankt nach wie vor an seiner mangelnden Bekanntheit. Oder ist er im Vergleich zu anderen Ausbildungen einfach weniger beliebt?
Natürlich geht der seit einigen Jahren anhaltende und immer noch zunehmende Run auf Studien-plätze auch an der FAMS-Ausbildung nicht spurlos vorüber. Sie ist genauso vom Fachkräftemangel betroffen wie andere Handwerksberufe, wenngleich die Marktforschungsbranche natürlich in der unvergleichbar privilegierteren Position ist, diesen Mangel problemlos mit Uniabsolventen kompensieren zu können. Studieren ist in – eine Ausbildung zu machen, eher weniger.
Diese aktuelle gesellschaftliche Tendenz ist eines der grundlegenden Probleme, das in unmittelbarem Zusammenhang mit der FAMS-Ausbildung steht, doch es kommt ein zweites hinzu, denn wer sich aus der klaren Minderheit der ausbildungswilligen jungen Männer und Frauen heraus für eine Ausbildung entscheidet, stößt in der Regel selten bis nie zuerst auf einen Nischenberuf. Und das ist der Beruf Marktforscher – zumindest gefühlt – generell, denn obwohl der Job vielen Menschen ihr täglich Brot sichert, arbeitet ein Marktforscher i.d.R. komplett unterhalb des Wahrnehmungsradars eines Großteils der Bevölkerung. Markt- und Sozialforschung findet im Hintergrund statt und ob-gleich sich auf ihre Ergebnisse viele Entscheidungen stützen – wenn die Branche doch einmal in den öffentlichen Fokus rückt, dann aufgrund von Skandalen oder allgemeiner Unbeliebtheit. Kurzum: Der Job ist unbekannt und hat ein schlechtes Image. Das zieht junge Menschen nicht unbedingt an. Potenzielle FAMS schon gar nicht.

Alle Wege führen nach Rom – aber nur verschlungene Pfade in die Marktforschung
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass man in der FAMS-Ausbildung eher über Umwege und Zu-fälle landet. Auch in unserem Jahrgang stand bei den Wenigsten am Anfang die konkrete und bewusst selbst getroffene Entscheidung: Ich mache eine FAMS-Ausbildung. Dass wir seit 2018 alle gemeinsam an der bmk Hamburg die ‚Schulbank drücken‘, ist den Anstößen von Vorgesetzten im (fachfremden) Praktikum, einem begonnen Studium oder wenigen sehr gut informierten Berufsberatern der Agentur für Arbeit zu verdanken.
Die Marktforschungsbranche zeichnet sich insgesamt durch ihren hohen Anteil an Quereinsteigern aus. Streng genommen könnte man vielleicht sogar die meisten Marktforscher als solche bezeichnen, denn fachspezifische Studiengänge, wie z.B. der neue Bachelor in BW / Marktforschung und Konsumentenpsychologie, den die Hochschule Pforzheim anbietet, sind extrem rar gesät und ein in der Marktforschungsbranche (noch) eher untypischer universitärer Hintergrund. Die meisten Akademiker, die den Beruf ausüben, haben ein sozial- oder wirtschaftswissenschaftliches Studium abgeschlossen, mussten sich die beruflichen Inhalte – abgesehen von den statistischen Kenntnis-sen, die vor allem ein sozialwissenschaftliches Studium vermittelt – jedoch durch Praktika und / oder Training-on-the-Job aneignen.

Hoher Praxisbezug als größter Vorteil der Ausbildung

In Hinblick auf den Praxisbezug vereint die FAMS-Ausbildung gleich zwei Vorteile, durch die sich Auszubildende von den Uniabsolventen abheben können: Zum einen sind FAMS durch den hohen Praxisanteil in der Ausbildung bereits mit Institutsstrukturen und Projektabläufen vertraut, zum anderen vermittelt die Ausbildung ein breites Grundlagenwissen, sowohl in Statistik und BWL als auch in fachspezifischen Methoden.
Was ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist: Durch den Umstand, dass die Ausbildung inhaltlich recht anspruchsvoll ist und viele Auszubildende erst spät auf den Ausbildungsberuf stoßen, bewegen sich nicht wenige FAMS bereits jenseits der Volljährigkeit und verfügen neben dem Abitur hin und wieder sogar über erste Berufserfahrung in anderen Branchen oder haben einige (oder viele) Semester an der Uni studiert. Institute und Unternehmen, die FAMS ausbilden, wissen diese Vorzüge oftmals zu schätzen und wertschätzen die in der Ausbildung erworbene hohe Fachkompetenz.
Woran liegt es also – neben dem bereits angesprochenen Imageproblem der Marktforschungs-branche allgemein –, dass sich nur so wenige junge Menschen für diesen Ausbildungsberuf begeistern (lassen) und, was schwerer wiegt, dass sich mancher / manche FAMS mit seiner / ihrer Position in der Branche unwohl bzw. nicht anerkannt fühlt?

FAMS und Uniabsolventen bedienen unterschiedliche Kompetenzfelder
Schenkt man aktuellen und ehemaligen FAMS ein sensibles Ohr, werden einige leise Stimmen laut, die flüstern, dass einen großen Nachteil der Ausbildung eben genau das angesprochene ständige Konkurrenzverhältnis zu den akademischen Mitbewerbern und Kollegen bildet. Objektiv betrachtet sind FAMS fachlich ebenso gut – vielleicht sogar besser im Sinne von berufsbezogener – ausgebildet wie ein Absolvent eines sozialwissenschaftlichen Studiengangs, aber der sehr hohe Qualitätsanspruch in der Marktforschungsbranche und eine Gesellschaft, in der ein abgeschlossenes Studium gerne als höherwertig betrachtet wird als eine Ausbildung, führen in manchen Instituten und Unternehmen zu einer (gefühlten) Statusdiskrepanz zwischen den FAMS und ihren akademischen Kollegen.
Natürlich wird an einer Uni anders gearbeitet als in einem Betrieb und anders gelehrt als an einer Berufsschule. Ein Studium erfordert andere Kompetenzen, als dies eine Ausbildung tut. Man arbeitet theoretischer, selbstständiger und wissenschaftlicher und muss den Transfer von Wissen in die Praxis im Nachgang des Studiums eigenständig leisten, während eine Ausbildung neben grundlegendem Fachwissen vor allem den letztgenannten Schritt vermitteln soll. Daraus ergibt sich jedoch keine natürliche Hierarchie der beiden Lernwege, sondern dies führt in der Marktforschung zu zwei unterschiedlichen Betätigungs- und Kompetenzfeldern, die jeweils durch den FAMS-Beruf oder ein Studium bedient werden.
Während ein / eine FAMS besonders über Fähigkeiten im Bereich der Planung, Organisation und Durchführung von Projekten verfügt, obliegen die beratenden und analytischen Projektschritte oftmals studierten Marktforschern (was nicht bedeuten soll, dass man als FAMS in diese Position mit zunehmender Berufserfahrung nicht hineinwachsen kann). Doch gerade jungen Universitätsabsolventen fehlt in der ersten Zeit im Beruf häufig die praktische Erfahrung, wenn es darum geht, Markt- und Sozialforschungsprojekte forschungsökonomisch umzusetzen. Ein Bürokaufmann / eine Bürokauffrau kann diese Lücke kaum schließen, da es ihm / ihr in diesem hochspezifischen Tätigkeitsfeld an Fachwissen mangelt.

FAMS – geschätzte Fachkraft oder gefühlter ‚Lückenfüller‘?
Genau diesen Mangel sah u.a. auch der BVM, als er 2006 die FAMS-Ausbildung mit ins Leben rief. Auf der Website heißt es dort: „Die Abgrenzung zur akademischen Ausbildung ist dort zu ziehen, wo es um Beratungskompetenz, Konzeption und Analyse von Untersuchungen geht, während der Schwerpunkt von FAMS in der Durchführung, Umsetzung und Organisation liegt.“ Und genau dort, an besagter Abgrenzungslinie, konzentriert sich vielleicht auch die grundlegende Problematik, die sich automatisch mit dem Versuch ergibt, eine ‚normale‘ Ausbildung in ein ansonsten sehr akade-misch geprägtes Berufsumfeld zu integrieren: Die ständige Konfrontation ausgebildeter FAMS oh-ne akademischen Hintergrund mit dem Umstand, dass sie eben keinen Studienabschluss vorweisen können – was sich nicht zuletzt auch im Gehalt niederschlägt.
Natürlich lässt sich diese Feststellung nicht verallgemeinern und viele FAMS sind sehr zufrieden mit ihrem beruflichen Umfeld sowie umgekehrt auch die Institute und Unternehmen mit ihren FAMS. Aber gerade für (Ausbildungs)Absolventen, deren Arbeitgeber Institute oder Unternehmen sind, die Wert auf ein akademisches Image legen, ist die Realität, der sie als FAMS täglich ins Auge blicken müssen, eine harte. Das Gefühl, als ‚Lückenfüller‘ zwischen Kunde und studiertem Marktforscher zu fungieren, verschwindet nie vollkommen.
Die inhaltlich spannende und abwechslungsreiche Ausbildung, die den Azubis die Möglichkeit bietet, vollkommen ohne Studium in einen Beruf hineinzugelangen, der bis 2006 i.d.R. ausschließlich über ein Universitätsstudium zugänglich war, leidet aktuell nicht nur unter ihrem generellen Nischenimage und folglich ausbleibenden Bewerbern, sondern es mangelt speziell auch an Ansehen und besonders Rückhalt in der Marktforschungsbranche selbst. Auch unter diesem Aspekt wäre es wichtig, vermehrt Unternehmen als Ausbildungsbetriebe anzusprechen, denn mit einem insgesamt (vermutlich) geringeren Anteil an Akademikern und einer bunteren Mischung an Berufsbildern würde sich mancher / manche FAMS ohne Studium dort sicherlich eher wertgeschätzt fühlen.
Für das Überleben der FAMS-Ausbildung ist es auf jeden Fall essentiell, die Marktforschungsbranche zukünftig auch für nicht-akademische Berufsanwärter weiter zu öffnen, denn die Ausbildungsabsolventen zeigen, dass dies keinen Qualitätsverlust bedeuten muss – ganz im Gegenteil. Je mehr Vielfalt in der Branche geschaffen wird, desto ausdifferenzierter gestalten sich die Möglichkeiten für Institute, Unternehmen und Studios, geeignetes Personal zu finden.

Auch branchenintern muss Rückhalt geschaffen werden
Letztendlich geht es nicht nur darum, lediglich die FAMS-Ausbildung auf dem Ausbildungsmarkt bekannter zu machen und sicherzustellen, dass potenzielle Ausbildungsbetriebe um die Existenz der FAMS wissen. Es muss auch das Ziel sein, die Marktforschungsbranche für die Fähigkeiten der FAMS zu sensibilisieren und branchenintern eine Akzeptanzgrundlage für diesen neuen Berufspfad zu schaffen. Ein erster Schritt könnte z.B. sein, auch die FAMS in der nächsten Gehaltsstudie von marktforschung.de zu berücksichtigen, um damit überhaupt erst einmal zu zeigen, dass der Beruf von der gesamten Branche wahr- und ernstgenommen wird – und nicht nur von den ausbildenden Betrieben und den Berufsverbänden, die mit der neuen Ausschreibung FAMStastisch einen weiteren Anstoß für eine positive Entwicklung schaffen. Denn für eine Branche einen solch spezialisierten Ausbildungsberuf wie den des / der FAMS beanspruchen zu können, ist ein wichtiger Faktor, um auch in Zukunft das hohe Qualitätsniveau der Markt- und Sozialforschung aufrecht zu erhalten.

*Quelle der Studienergebnisse:
https://www.horizont.net/planung-analyse/nachricht...

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